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Orgel- und Weinreise Süddeutschland 4. – 9. September 2023
Orgel- und Weinreise Süddeutschland 4. – 9. September 2023
Leidenschaft für die Orgel und für den Wein

Einmal mehr begeisterte die diesjährige Orgelreise mit einer Vielfalt an Orgelmusik, an Kulinarik, an Wein-Degustationen sowie an eindrücklichen Landschaften und Städten, die teilweise am Ende des Zweiten Weltkrieges zerstört und danach wieder aufgebaut worden waren. Gespräche unterwegs und beim Essen gaben Einblick in interessante Lebensgeschichten.

Es war eine grosse Freude, am Montagmorgen beim Einsteigen in den zweistöckigen Gössi-Bus neben vielen altbekannten auch neue Gesichter begrüssen zu können. «Es ist Klassisches und auch viel Neues dabei. Vor allem handelt es sich um grosse Instrumente, was Wolfgang beflügelt», erklärte Reiseleiter Dieter Utz, bevor er die von ihm geschaffene Broschüre mit allen vorgestellten Orgeln und Konzertprogrammen sowie weiteren wertvollen Informationen verteilte. Dankbar nahmen wir sie entgegen, und wir vertieften uns neugierig ebenfalls in die kleinere Broschüre, in der Iris Utz die kulinarische Seite der Reise mit sämtlichen Weingütern und Menüs beschrieben hatte.

Erfreulicherweise mussten Sylvia und Wolfgang diesmal nicht separat mit dem Auto fahren. Der Organist bezeichnete im Hinblick auf den Besuch im Münster in Freiburg im Breisgau das dortige Instrument als die ausserordentlichste Orgel, die es überhaupt gibt. Von einem zentralen Spieltisch aus können rund 180 Register verteilt auf vier Orgeln zum Klingen gebracht werden. Das ergebe um die 10’000 Pfeifen, die innerhalb des Raums verteilt fassbar seien. Wolfgang erklärte, während der Mensch optisch sich nur auf ein Bild konzentrieren könne, so sei er hörmässig fähig, innerhalb einer Sekunde fünf verschiedene Ereignisse zu definieren. Deshalb sei es…

ein ganz besonderes Klangerlebnis

Im Münsterforum C-Punkt, dem Besucherzentrum der Diözese, wurden wir zu einer Multivisionsschau begrüsst. Das Zentrum war an dem Ort erstellt worden, wo in der Bombennacht vom 27. November 1944 fast 3000 Menschen starben, ein Grossteil der Gebäude zerstört und wieder aufgebaut wurden. Es dient als christlich-karitative Anlaufstelle für Gespräche, Seelsorge und Führungen. Die Bilder zeigten das Wahrzeichen der Stadt, den weitherum sichtbaren, filigranen Turm des über 800 Jahre alten Münsters und luden ein zum Gang ins Münster, dem Ort der Spiritualität mit den von den Zünften gestifteten Glasfenstern und den mehr als 120 Darstellungen der Muttergottes.

Münsterorganist Jörg Schwab erzählte, wie mit der Einrichtung der vierten Orgel ein gigantisches Werk geschaffen werden konnte. Auf Empfehlung von Wolfgang bewegten wir uns im kunstvoll ausgestatteten Kirchenraum und genossen begeistert dieses spezielle Klangerlebnis, angefangen mit dem Ritt der Walküren von Richard Wagner bis zu Creativ, von Wolfgang Sieber aus «Seven Ethnic Toccatas» komponiert. Das Programm wurde ebenso wie die künftigen Konzerte abgeschlossen mit «V. Nuss vo Bümpliz» von Patent Ochsner, das die unterschiedlichen Farben der jeweiligen Orgeln besonders gut zur Geltung bringt.

Daneben erfuhren von einer Spezialität der Orgelbauer, sich bei jedem Instrument mit einem speziellen Register, meist verbunden mit einer Person resp. einem Ereignis der Region, zu verewigen. Wie der «Rohraffe» in Freiburg, sollte es in der Trierer Domorgel der Gott Pan sein.

 

Wie das Klima den Wein verändert

Nach der Leidenschaft für die Orgel erfuhren wir beim Besuch vom Weingut Höfflin in der Gemeinde Bötzingen im Schambachtal am Kaiserstuhl, was Leidenschaft für den Wein und die Natur bedeuten kann. «Mit der Klimaveränderung verändert sich auch der Weinanbau.» Die Worte des Winzers Matthias Höfflin nach der Begrüssung mit Sekt begleiteten uns auf der ganzen Reise. Er erzählte, wie seine Eltern auf Biolandbau umgestellt hatten und er in der Schweiz nach der Bekanntschaft mit Dr. Hans Müller auf dem Möschberg 1987 in eigener Regie mit 7000 Litern angefangen und dieses Jahr stolz den 36. Jahrgang präsentieren konnte. «Wer guten Wein machen will, muss den Boden verstehen», erklärte er und wies darauf hin, wie sich wegen der Hitze neben dem Geschmacksprofil auch die Standorte der Weinberge sowie der Zeitpunkt der Weinlese vom Oktober zu Frühernten im August verändern.

Nach der ausführlichen Einführung in die Produktion der Naturweine und der Degustation ging die Reise weiter nach Bad Dürkheim, wo wir im Kurpark-Hotel mit dem prächtigen weitläufigen Schlosspark dreimal übernachteten.

«Bäretatze» aus dem Schwalbennest

Bei der Fahrt durch das Pfälzer Bergland veränderte sich am nächsten Tag die Landschaft. Die zahlreichen Windräder auf den Hügeln faszinierten mit ihren ruhigen Bewegungen. Angekommen in Trier verteilten Sylvia, Iris und Dieter mit Körben voller Äpfel und Snacks eine Zwischenverpflegung vor der freien Besichtigung der Stadt.

Der Einblick in die Stadt mit ihrer 1700jährigen Geschichte und verschiedenen wertvollen Bauten (Konstantin-Basilika, Porta Nigra, römischen Aquädukte usw.) zeigte: Die Stadt wäre durchaus eine weitere Reise wert. Im prachtvollen Dom, wo die Orgel wie ein Schwalbennest an der Wand hängt, äusserte Wolfgang unter anderem auch seine Gedanken über die Bedeutung des Organisten im Wandel der Zeit. Früher wurde er meistens wie hier, wo er sich hoch oben fast gefangen fühlt, eher abseits platziert, was zum Ausdruck führte: «Die Orgel spielt.» Im Gegensatz dazu stünden die Instrumente heute oft mitten im Raum, wodurch der Organist zu einem Teil des Geschehens werde. Die Spannweite des Ortes mit seiner langen Geschichte veranschaulichte Wolfgang mit seinem Musikprogramm, das von Marcel Dupré aus der Neoklassik über die von ihm komponierten «Bäretatze», einer Rhapsodie über den alten Berner Marsch, mit Elementen von ethnischer Musik, Jazzelementen bis hin zu einem Teil der Orgelsinfonie von Widor führte.

 

 

Von besonderen Menschen und Herausforderungen

Am dritten Tag genossen wir im beschaulichen Städtchen Oppenheim von der St. Katharinenkirche die weite Sicht auf die Weinberge und die umliegenden Dörfer. In der durch ihre Kirchenfenster bekannten Kirche, gebaut als Repräsentationsbau der Region, begrüsste uns Organist und Propsteikantor Ralph Bibiella. «Man muss die Orgelklänge auskosten wie den Wein», erklärte er mit dem Hinblick auf die Festschrift, in der jedem Klang der 44 Register der Orgel einem dazu passenden Wein zugeordnet wurde. Er erzählte, Albert Schweitzer habe bei seinen Heimaturlauben oft in Oppenheim vor allem Bach gespielt und die Orgel als eine der besten bezeichnet.

Neben einem Präludium von Bach sowie zwei Werken von Goulda genossen wir das Spiel der von Wolfgang komponierten «Tanzende Orgel». Im Bus erzählte er von der besonderen Herausforderung dieses Konzertes: Im Voraus hatte er den Ort besucht und bei der Vorbereitung des Programms 250 Kombinationen verschiedener Klangfarben auf einem USB-Stick gespeichert. Da der lokale Organist diesen nicht mehr fand, musste Wolfgang spontan improvisieren.

Später erwarteten uns in Rüdesheim Degustation und Imbiss im Weingut von Georges Breuer. Mitten im Ort wurden wir in der Abfüllhalle von Marlen und Dominik just an dem Tag empfangen, als mit der Weinlese begonnen worden war. Bei der Führung durch den Betrieb zeigten uns die beiden Mitarbeitenden anhand einer Karte die drei Anbaugebiete mit über 120 Parzellen mit unterschiedlichem Boden, was zu unterschiedlichen Qualitäten von Wein verarbeitet werde: 85% Riesling, 15% Rotweine. Bei der Degustation der drei Weine zur knapp bemessenen Quiche fühlten wir uns eher «abgefertigt».

Umso eindrücklicher gestaltete sich anschliessend der Besuch in der Abtei der Heiligen Hildegard von Bingen (1098-1179) am Hang in Eibingen. Eine kurze Meditation mit ihren Texten brachte uns die Spiritualität dieser eindrücklichen Frau aus dem Mittelalter näher. Die natur- und heilkundige Universalgelehrte war mit ihren Schriften und ihrer Musik erst 2012 (!!) wiederentdeckt worden, als sie vom Papst zur Heiligen und Kirchenlehrerin ernannt wurde. Ein spezielles Abenteuer war danach das Überquerung des Rheins auf der Fähre nach Bingen, dem Herkunftsort der Heiligen. Ein gemütlicher Abend im Hotel schloss den ereignisreichen Tag ab.

Wo grosser Einsatz zu erfreulichen Zielen führt

Am Donnerstag, dem vierten Reisetag, waren Wolfgang und Sylvia schon um 7 Uhr zur Vorbereitung mit dem Zug nach Heidelberg aufgebrochen. Beim Betreten der Jesuitenkirche, einem massiven Gebäude aus lokalem rötlichem Sandstein, überraschte uns das helle und schlichte Innere der Kirche mit ihrem besonderen Charme. Dieter Utz und Organist und Chorleiter Markus Uhl berichteten von der schwierigen Entstehungsgeschichte der Orgel, die mit der ausgezeichneten Mischfähigkeit der Orgel einen überaus erfreulichen Abschluss fand. Hier hatte sich die Orgelbaufirma Kuhn mit dem Zusatzregister des Perkeo mit Gläserklirren (passend zur Orgel- und Weinreise) verewigt: Der Ursprung lieg im ehemaligen Kellermeister resp. Hofzwerg, der im Schloss den Wein bewachen musste und auf die Einladung zum Trinken dies mit «perque no» nie verweigerte. Mit Auszügen aus Mozarts Zauberflöte hatte Wolfgang das Konzertprogramm wunderbar angepasst.

Welch ein Gegensatz zum Vortag war der anschliessende Besuch in Deidesheim im Weingut von Winning. Nach dem Apéro unter Sonnenschirmen erhielten wir im Garten eine Einführung in die Geschichte durch Florentine Bayer, die seit 10 Jahren auf dem Weingut arbeitet und ihr breites Wissen mit Begeisterung und Humor weitergab. «Wenn man in diesem Fach arbeitet, muss man über eine Geschmacksbibliothek mit verschiedenen Schubladen verfügen.», meinte sie und betonte: «Wir wollen nicht gegen, sondern mit der Natur arbeiten.» Das einzige Problem im Hinblick auf die noch nicht erreichte Bio-Zertifizierung sei für den grossen Betrieb mit 66 Mitarbeitenden der noch nicht gelöste Umgang mit dem Kupfer. Im Anschluss an die Führung genossen wir in Verbindung mit der Wein-Degustation im hellem Barocksaal der Villa verschiedene Köstlichkeiten.

Nach der Fahrt nach Stuttgart und dem Einchecken im modernen Design-Hotel mussten wir uns zum Abendessen im Restaurant La Commedia wegen des Weinfestes einen Weg durch die Menschenmenge bahnen.

 

Nie wieder! (?)

Am nächsten Morgen zeigten die alten Fotos beim Betreten der Stiftskirche eindrücklich, wie diese am Ende des zweiten Weltkrieges zerbombt und neu aufgebaut worden war. Auf der Empore erklärte Wolfang anschaulich, wie er die Register der Orgel mit verschiedenen Klangfarben gesetzt und einregistriert hatte. Diese Klänge kamen bei dem von ihm komponierten «LIBERO» auf der Orgel mit ihrer Breiten- und Tiefenwirkung besonders gut zur Geltung.

Beim Warten auf den Bus erinnerte das eindrückliche Denkmal «Nie wieder» an Schrecken und Gewalt im Krieg. Im Bus erzählte eine Teilnehmerin, wie sie als Kind in Stuttgart den Krieg und die Bombardierungen erlebt hatte. Eindrücklich, was ihre Mutter bei der Geburt von Zwillingen mit den Kleinkindern durchmachen musste, wie sie als Kind die Zerstörung und den Wiederaufbau miterlebt hatte.

 

Auf der anschliessenden Fahrt durch Hügellandschaft und durchs Neckartal staunten wir über die Weinberge an den steilen Hängen. In Hessigheim erwartet uns das junge Winzerpaar Alex und Eva Eisele in ihrem Naturgarten. Sie erklärten die spezielle Lage ihres 10 Hektaren-Familienbetriebs an «optimaler steiler Lage mit Trockenmauern und kalkreichem Boden». Dadurch werde der Wein des Biobetriebes (seit 2015) klar und opulent. Ausführlich und mit blumigen Ausdrücken erzählte der junge Winzer, wie er die blaufränkische, seine Lieblingsrebsorte gezogen und den Wein produziert hat. «Wir wollen das Frische, Steinige, Mineralhaltige ins Glas bringen» betonte er, und wieder hörten wir die Erfahrungen mit den Auswirkungen des Klimawandels. Die Stilistik des Weins habe sich seit 20 Jahren stark verändert. «Wenn es so weitergeht, haben wir hier bald ein Mittelmeer-Klima, was sich auf den Weinanbau massiv auswirkt.» Zur Degustation im Garten genossen wir die vom Schwager auf einem fahrbare Pizzaofen zubereitete Pizzas.

Der Besuch bei der Orgelbaufirma Mühleisen mit 20 Mitarbeitenden gab Einblick in den Bau einer Orgel von den Plänen bis zur Fertigung einzelner Teile. Am Abend genossen wir bereits das letzte gemeinsame Abendessen in der Alten Kanzlei in Stuttgart.

Der letzte Reisetag führte uns nach Schramberg im Schwarzwald, wo wir zuerst den alten Industriebau der Firma Junghans besuchten. Dieser ist so gestaltet, dass in der grössten Uhrenfabrik der Welt, in besten Zeiten waren es 400-600 Mitarbeitende, möglichst viele Arbeitsplätze natürliches Licht erhalten. Im heute als Museum genutzten Bau ist eine unglaubliche Vielfalt an Uhren zu sehen: von Kuckucksuhren über Flötenuhren, Wecker und Drehorgeln und bis hin zu Musikautomaten.

In der Pfarrkirche St. Maria erzählte Kirchenmusikdirektor Rudi Schäfer die Geschichte der Kirche und der Orgel. Mangels Finanzen wurde auf den Bau eines Kirchturms verzichtet. Dank beharrlichem Dranbleiben konnte die Bevölkerung davon überzeugt werden, die barockisierte alte Walcker-Orgel in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuführen, und es sei ein Schmuckstück entstanden. Dadurch konnte sich Schramberg durch die alle vier Jahre durchgeführte Konzertreihe zu einer Orgelstadt entwickeln.

Im Hinblick auf das Konzertprogramm mit Musik von Max Reger erklärte Wolfgang: «Wenn ich die Musik von Reger höre, denke ich an einen ganz opulenten Wein (wie es ihn in Deutschland nicht gibt) und ein gutes Stück Fleisch. Diese Art von Fülle werden wir jetzt hören.»

Nach dem köstlichen Mittagessen im Schwarzwälder Gasthof mit seiner freundlichen Bedienung führte uns Chauffeur René, der gemäss der ehemaligen Fahrlehrerin jede enge Einfahrt «wie mit dem Schuhlöffel» gemeistert hatte, sicher in die Schweiz zurück.

Herzlichen Dank an alle, die diese einzigartige Reise mit viel Einsatz und Herzblut ermöglicht hatten.

Monika Fischer, Text und Fotos

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Veröffentlicht von Sophia Hunger