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LISZT – The Organ Composer
LISZT - The Organ Composer
Review der neuen Doppel-CD | CD des Monats Oktober 2022

Verlag Audite 97.793 (2022) | Doppel-CD

Anna-Victoria Baltrusch an der Grossen Kuhn-Orgel der Hofkirche St. Leodegar Luzern

Anna-Victoria Baltrusch bietet mit dem vorliegenden Doppel-CD-Album die höchst willkommene Ergänzung ihres Liszt-Kompendiums, das sie mit der Edition „Liszt – The Friend and Paragon“ (Audite CD 97.792) begonnen hat. An der grossen Hoforgel von Kuhn in Sankt Leodegar, mit ihrem unvergleichlichen Raum-Effekt von viermanualiger Emporenorgel, dem grossen Fernwerk unter dem Dach – samt den drei durchschlagenden Zungenstimmen – und dem neuen üppigen Echowerk im Altarbereich, stehen ihr auf fünf Rosenholz-Manualen und Pedal nicht weniger als sieben Manual-Abteilungen und drei Pedal-Abteilungen zur Verfügung. Das Klangspekturm reicht von den historischen barocken Geissler Registern, über die romantische „Herrlichkeit“ von Haas und Goll, zu den modernen Zutaten von Kuhn, samt der glücklichen Ergänzung – ebenfalls durch Kuhn – um das Echowerk. All das grundiert von nicht weniger als drei (bzw. vier) 32′-Registern.

Baltrusch nutzt diesen einzigartigen Klang-Kosmos mit feinsinnigem Gespür für Farben, Dramatik und Virtuosität kongenial aus. Als Repertoire dieser Doppel-CD hat sie sich nicht weniger als Liszts drei Grosswerke – „Präludium und Fuge über B-A-C-H“, die epochale „Fantasie und Fuge über „Ad nos ad salutarem undam“ und das Spätwerk „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ – vorgenommen.
Mit stupender Virtuosität und einer grossartigen Klangregie vermag die Interpretin all diesen drei orgelmusikalischen „Achttausendern“ gerecht zu werden, von denen jedes einzelne Werk schon eine tüchtige Herausforderung an Spieler, Hörer und Instrument darstellt.

Besonders hervorzuheben sind die grossen Spannungsbögen, die die Interpretin sowohl im „Ad nos“ wie auch im „B-A-C-H“ zu zeichnen vermag, damit der Gesamtzusammenhang des, sich in zahlreiche Unter-Ideen verästelnden Flusses nicht verloren geht. Interessanterweise nimmt sie beim Ersteren einige Stellen der Klavierfassungen Liszts mit hinein, was dem Ganzen sehr zugute kommt. Berührend etwa der mystische Mittelteil in der Prophetenfantasie; unmittelbar klanglich physisch „angreifend“ dagegen beispielsweise der Dialog der Fanfaren (Tuba mirabilis im Altarwerk gegen die grosse Orgel).

Für mich als „Höhepunkt“ der CD – wenn man dann eine grandiose Leistung überhaupt noch zu steigern vermag, ist ihre eigene Orgelfassung von Liszts „Totentanz“, einer zwölfteiligen Paraphrase über das „Dies irae“, die in ihrer Perfektion nur darauf hoffen lässt, dass die Interpretin ihre Transkription auch als Notenausgabe veröffentlichen wird – eine willkommene Bereicherung des Liszt-Repertoires und in der Wirkung quasi ein vollkommen genuines „Orgelstück“ – als sei es der Hoforgel und der Organistin auf den Leib geschrieben.

Fazit: eine der besten CD-Neuerscheinungen des Jahres 2022!

Thomas Haubrich, für „Orgelportal.ch“, im Oktober 2022

Bezugsquelle bei AUDITE

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Veröffentlicht von Thomas Haubrich
Thomas Haubrich, sprengt als Organist und Dirigent gerne Grenzen. Im Im thurgauischen Amriswil als Kirchenmusiker tätig, betreut er vielfach Orgelbauprojekte und gibt Konzerte im In- und Ausland.